10 - 13. März 2007

SchlagLicht

Premium-Hockey auf dem Tape...ziertisch


Der vor wenigen Jahren verstorbene Nestor des deutschen Hockey, Eberhard Nöller, würde sich im Grabe umdrehen, hörte er, wie seine Nachfolger in der Spitze des Deutschen Hockey-Bundes heute unsere geliebte Sportart in der Öffentlichkeit darstellen (müssen). „Die Ware Hockey vermarkten, das Produkt Hockey präsentieren“, so fordert es der DHB und mit ihm unisono die dafür von ihm beauftragte Deutsche Hockey-Agentur (dha). Spätestens seitdem diese nun vollprofessionell für ein mediengerechtes Auftreten der Bundesliga sorgen soll, muss es aufwärts gehen. Sollte man meinen.

Die Agentur bereitet zwar Woche für Woche mit viel Aufwand aktuelle Spielberichte vor allem für die Printmedien auf. Wiedergefunden habe ich noch niemals eine solche Agenturmeldung in den Zeitungen. Sind sie handwerklich zu schlecht, hat die dha keinen Namen im Sportjournalismus? Ich weiß es nicht. Natürlich hat es Hockey überall schwer, auf die Sportseiten der Zeitungen zu gelangen, sieht man von kleineren Orten ab. Oft ist die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesligisten vor Ort Schuld daran. Nur selten Kontinuität im steten Werben für unsere Sportart.

Hockey-Wahrnehmung in der Hauptstadt

So findet in den Medien der Hauptstadt Deutschlands Hockey der drei Felderstligisten (von den vielen Hallenbundesligisten und Zweitligisten hier gar nicht zu reden) nicht statt. Wenn es hoch kommt, eine Saisonvorschau und, wenn die Damen des BHC, einmal mehr Deutscher Meister geworden sind, ein 40-Zeiler. Vielleicht haben die Vereine resigniert. Genau so arm aber auch die Selbstdarstellung der Vereine bei den Spielen selbst. Durchaus auch Wechselwirkung des eingangs Beschriebenen. Da ist zwar viel von Sponsoren, Events und allerlei anderem Marketing-Schnick-Schnack die Rede. Aber mal ganz ehrlich: was bringen wir denn mit unserer heute üblichen Selbstdarstellung als Gegenleistung in eine solche Werbepartnerschaft ein? Das ist doch mit Floskeln verbrämtes Mäzenatentum.

Mit dem Spielplan fängt es an

Es beginnt schon beim Spielplan. Entweder schickt der Spielansetzer alle ca. acht Erst- und Zweitligisten komplett zu einem Auswärtsdoppelwochende. Am folgenden Doppelspielwochenende finden dann alle nur denkbaren Spiele samstags und sonntags, häufig zu gleichen Zeit in Berlin statt. In anderen Regionen dürfte es dann genau umgekehrt sein. Und wenn dann ein Verein seine Damen und Herren hintereinander auf seiner Anlage zu spielen hat, dann wird der zeitliche Abstand zwischen den Spielen so immens gestaltet, dass auch der wohl gesinnte Fan nach dem ersten Spiel den Heimweg angetreten hat.

Sind Hockeyzuschauer auch Kunden?

Die Spiele selbst: ein Kümmerspiel. Programmheft. Fehlanzeige. Wenn es hoch kommt, eine Mannschaftsaufstellung aus der DHZ zu Saisonbeginn im September. Im Frühjahr gibt es dank der ständigen Wechselmöglichkeiten völlig neue Mannschaftsaufstellungen. Der Zuschauer soll davon wohl nichts erfahren. Natürlich stimmen auch die Rückennummern auf diesem Kundendienstzettel niemals mit der Wirklichkeit überein. Man wird also gleich bestens versorgt, wenn man ein Hockey-Bundesligaspiel besucht. Immerhin – man findet mühelos seinen Platz. Stehplatz versteht sich. Hier wird man nun in den nächsten 80 Minuten ausharren, den Unbilden der Natur ausgesetzt. Nicht dass Sie denken, was für ein Weichei. Ich gehe trotzdem bei Wind und Wetter. Und mit mir noch die 18 Elternpaare, die 45 Berliner Hockeyverrückten sowie die 25 Hartgesottenen des jeweiligen Gastgebers. Aber gewinnen wir so neue Zuschauer?

Die eigenen Mitglieder gewinnen?

Und wieso sind niemals die an die 300 Hockeyjugendlichen dieser Clubs samt ihrer Eltern bei diesen Spielen? Warum werden die Minis nicht mit Vor- oder Zwischenspielen einbezogen? Warum macht man aus der Pflicht, Ballkinder stellen zu müssen (übrigens so wichtig für die Attraktivität unseres Spiels), nicht eine Tugend und bindet sie und ihre Eltern in die Spiele der Bundesligamannschaften „seines“ Vereins ein? Warum nicht eine Turnierserie herum um die Bundesligaspiele mit den Mannschaften der anderen Clubs? Warum findet um die Spiele herum nicht das klitzekleinste Rahmenprogramm statt? Warum erhalten Sponsoren keine Möglichkeit, sich darzustellen? Stattdessen dann ein im Wortsinne hergelaufener, oder eben am Tresen verpflichteter Sprecher, der sich natürlich zu fein ist, die Mannschaftsaufstellung vorher einmal durchzulesen (er kann doch lesen) und sich von einem Zungenbrecher zum nächsten haspelt. Möglichst schnell und nuschelig, damit es bald vorüber ist. Natürlich „trägt jeder Spieler die Nr. 1, 2, ... bis 18“.
Und da wundern wir uns, wenn uns die Presse ignoriert, wenn mir mal selbst gerade 100 Leute als Zuschauer zusammenbekommen, obwohl mehrere Tausend aktiv in der Stadt Hockey spielen und viele Tausend es über Jahrzehnte getan haben.
Was tun wir, um erst einmal die regelmäßig an uns zu binden?

Bindungen schaffen

So sieht es in der Hauptstadt aus. Vielleicht ist es anderswo viel attraktiver. Wenn ich einmal anderswo zu Gast war, zum Beispiel in der Hockey-Hauptstadt Hamburg, dann sah es dort allerdings ganz genau so aus. Wir müssen Bindungen schaffen. Wer eine Beziehung zu einem Spieler, einer Mannschaft hat, will dabei sein. Und kommt auch wieder. Aber tun Spieler, Mannschaften, Verein wirklich alles, um solche Bindungen zu entwickeln? Zunächst einmal im Kleinen. Bei den eigenen Mitgliedern, bei der Hockeygemeinde. Das ist eine ganze Menge, wenn wir die aktivieren (man schaue nach Holland, wo die Spiele der ersten Mannschaft geselliger Mittelpunkt des Vereins und der Hockeyszene am Sonntag sind. Man trifft sich und bleibt noch lange nach dem Spiel). Erst dorthin, wo was los ist, kommt die Presse. Und folgen andere Zuschauer.
Ich habe über die letzten zwei Jahrzehnte als regelmäßiger Zuschauer die Entwicklung bei ALBA Berlin, das anfangs noch DTV Charlottenburg hieß, beobachtet. Auch dort hat man so klein angefangen. Mit vielen kleinen Schritten Zuschauer und in deren Gefolge Presse und Sponsoren gewonnen. Ein langer Weg bis zur heutigen Bedeutung, wo auch bei belanglosen Ligaspielen gegen den 16. der Liga wie am vergangenen Samstag über 6000 Zuschauer an einem Samstagabend in die Halle kommen.

Der 10-Punkte-Plan

Es ist nicht alles auf einmal zu schaffen. Aber ein wenig mehr Service ist ohne Aufwand herzustellen. Wenn man will, schafft man auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, eine Sitzplatztribüne für ein paar hundert Zuschauer mit Witterungsschutz herzustellen. Jeder Club in Holland hat so etwas. Das finanziert sich durch Werbung von allein. Natürlich muss man Wirtschaftspartnern mehr bieten als Hubis Schnitzelbrötchen. Ein Bereich, wo sich auch die Wirtschaftspartner und Honoratioren treffen können, findet sich überall. Das ist der Anfang. Das Rahmenprogramm der Spiele regelmäßig erweitern. Warum muss immer starr am Wochenende gespielt werden? Heimderbys sind auch über die Woche attraktiv (und damit auch frei für diejenigen, die sonst vielleicht selbst spielen müssen). Es gibt so viele Ideen. Wer fängt damit an, sie umzusetzen. Wenn die Vereine die sportliche Herausforderung der Bundesliga - und schon steht ja die Euro-Liga am Horizont - annehmen, dann müssen sie für die Spieler nolens volens die wirtschaftlichen und sportlichen Voraussetzungen schaffen, um in diesem Wettbewerb mitzuhalten. Dann geht es nicht ohne Öffentlichkeitsarbeit, dann geht es nicht ohne wirtschaftliche Unterstützung von außen. Die Vereine haben inzwischen verstanden, dass ein Wettbewerb um die besten Spieler vor allem ein Wettbewerb um das Angebot der besten Hilfe beim Aufbau der studentischen und beruflichen Karriere der Spieler ist. Sie werden sich auch dem Wettbewerb um die Gewinnung von Wirtschaftspartnern stellen müssen. Nur die „dynamischen Vereine“ im Sinne Josef Schumpeters „dynamischen Unternehmers“ im Wettbewerb schöpferischer Zerstörung werden hier überleben. Die Einladung eines Experten vom Handball zum Treffen der Bundesliga-Vertreter am Wochenende ist ein wichtiger erster Schritt. Viele werden folgen müssen. Es müssen und können nicht immer die ganz großen Nummern sein. Es kann durchaus Schritt für Schritt gehen:

1. vernünftiger Spielplan
2. normaler Kundendienst (Mannschaftsaufstellung, Ansage)
3. die eigenen Jugendlichen als Zuschauer einbeziehen
4. den eigenen Verein aktivieren
5. die Hockeyszene gewinnen
6. Bindungen zu den Zuschauern herstellen
7. den Komfort für den Zuschauer verbessern (Sitzplätze, Überdachung, Restauration, Treffpunkte um das Spiel herum)
8. Rahmenprogramme (auch zur Darstellung der Sponsoren entwickeln)
9. aktive und dauerhafte Öffentlichkeitsarbeit
10. Entwicklung von Wirtschaftspartnerschaften

Ein langer Weg


Das ist ein langer, langer Weg. Sicherlich über mindestens fünf Jahre angelegt. Wie jetzt für Mönchengladbach geplant, sollte man sich gegenseitig anregen. Am Ende steht dann vielleicht wirklich eine ausgewogene Werbepartnerschaft, die Vision des Hockey-Marketing-Clubs, der sich um die Bundesligaspiele der ersten Mannschaft gebildet hat und inzwischen davon völlig losgelöst ist. Hockey auf dem silbernen Tablett präsentiert und nicht wie derzeit auf dem (durchaus liebenswerten) Tapeziertisch der Hockeyfamilie, die Selbstgebackenes feilbietet.
Dieter Schuermann

 
Dieter Schuermann

Dieter Schuermann


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